Food Contact Materials-Neue Anforderungen an Materialien mit Lebensmittelkontakt

Was die Verordnung (EU) 2025/351 für die Praxis bedeutet

Materialien, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, sind weit mehr als bloße Verpackung – sie sind ein zentrales Element der Lebensmittelsicherheit. Sie müssen den Inhalt schützen, dürfen keine gesundheitlich bedenklichen Stoffe abgeben und sollen zunehmend auch den Zielen der Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft gerecht werden. Mit der am 16. März 2025 in Kraft getretenen Verordnung (EU) 2025/351 hat die Europäische Kommission den rechtlichen Rahmen für Kunststoffmaterialien im Lebensmittelkontakt grundlegend überarbeitet.

Diese Neuerung betrifft nicht nur Verpackungshersteller, sondern die gesamte Lebensmittelkette – von der Produktion über den Handel bis zur amtlichen Überwachung. Der Schritt ist Teil einer umfassenden Modernisierung des europäischen Lebensmittelrechts, mit der Sicherheit, Transparenz und Umweltaspekte noch stärker in Einklang gebracht werden sollen.

Hintergrund und Zielsetzung

Die bisherigen Regelungen für Materialien und Gegenstände mit Lebensmittelkontakt basieren auf der Verordnung (EG) 1935/2004 und der Kunststoffverordnung (EU) 10/2011. Sie definieren grundlegende Sicherheitsanforderungen und eine Positivliste zugelassener Stoffe. Doch die zunehmende Verwendung von Rezyklaten, Mehrlagenmaterialien und der Einsatz neuartiger Substanzen machten eine Anpassung notwendig.

Mit der neuen Verordnung reagiert die EU auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, auf technologische Entwicklungen sowie auf die wachsende Bedeutung nachhaltiger Verpackungssysteme. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei nicht absichtlich zugesetzten Stoffen (NIAS), also Verunreinigungen oder Reaktionsnebenprodukten, die unbeabsichtigt in Materialien gelangen können.

Wesentliche Änderungen im Überblick

Erweiterter Geltungsbereich

Die Verordnung stellt klar, dass alle Kunststoffmaterialien und -gegenstände – auch solche mit komplexem Mehrschichtaufbau oder speziellen Additiven – den Anforderungen unterliegen. Damit entfällt die frühere Beschränkung auf reine Kunststoffschichten. Auch Stoffe mit variabler Zusammensetzung oder biologischer Herkunft werden nun explizit erfasst.

Höhere Anforderungen an Reinheit und Sicherheit

Neu ist die Einführung des Begriffs „high degree of purity“. Damit verlangt die EU, dass alle in Lebensmittelkontakt verwendeten Substanzen in klar definierter Qualität vorliegen und nur minimale Mengen unerwünschter Nebenstoffe enthalten dürfen. Für NIAS gelten strenge Grenzwerte:

  • Substanzen mit Migrationswerten über 0,05 mg/kg müssen toxikologisch bewertet sein.

  • Werte unterhalb von 0,00015 mg/kg gelten als unbedenklich, sofern keine Hinweise auf Genotoxizität bestehen.

Diese Vorgaben zwingen Hersteller dazu, ihre Rohstoffe und Additive noch genauer zu charakterisieren und auf ein sauberes, nachvollziehbares Stoffprofil zu achten.

Rezyklate und Kreislaufwirtschaft

Ein zentraler Bestandteil der neuen Regelung ist die Gleichstellung von recycelten und neuen Materialien. Rezyklate müssen künftig denselben Sicherheitsanforderungen genügen wie Neuware. Das bedeutet: kein vereinfachter Weg über den Recyclingprozess, sondern einheitliche Prüf- und Reinheitsstandards.

Auch die Wiederverarbeitung von Verschnitt oder Rückständen innerhalb der Produktion wird klar geregelt. Nur getrennt erfasste, rückverfolgbare und qualitätsgesicherte Materialien dürfen erneut in den Produktionskreislauf eingebracht werden. Damit wird ein wichtiger Beitrag zu echter Kreislaufwirtschaft im Verpackungssektor geleistet.

Kennzeichnung und Verbraucherinformation

Erstmals führt die EU spezifische Kennzeichnungs- und Informationspflichten für wiederverwendbare Lebensmittelkontaktmaterialien ein. Hersteller müssen künftig angeben, wie die Produkte zu verwenden, zu reinigen und zu entsorgen sind – und ab wann sie ausgetauscht werden sollten.
Auch Gegenstände, die noch nicht in Kontakt mit Lebensmitteln standen, müssen deutliche Hinweise tragen, für welche Lebensmittelarten, Temperaturen und Kontaktzeiten sie geeignet sind.

Diese Maßnahmen sollen die sachgerechte Nutzung fördern und Fehlanwendungen vermeiden, die zu Migrationen oder Materialschäden führen könnten.

Anpassung der Konformitätserklärung

Die sogenannte Declaration of Compliance (DoC) wurde überarbeitet. Sie muss nun alle relevanten Informationen enthalten, die die Konformität des Materials belegen – einschließlich möglicher NIAS, sofern diese in relevanten Mengen vorkommen können.
Damit wächst die Verantwortung der Unternehmen entlang der Lieferkette: Jede Stufe muss nachvollziehbar dokumentieren, welche Stoffe eingesetzt wurden und welche Prüfungen erfolgt sind.

Strengere Prüfanforderungen

Auch die Migrationsprüfungen wurden präzisiert. Bei Mehrlagenmaterialien gilt künftig ein flexibleres Verhältnis zwischen Oberfläche und Lebensmittelvolumen, um realistischere Prüfbedingungen zu schaffen. Für wiederverwendbare Materialien werden Prüfzyklen vorgeschrieben, um sicherzustellen, dass sich durch häufige Nutzung keine erhöhte Stoffmigration ergibt.

Übergangsfristen

Für Materialien, die vor Inkrafttreten der neuen Verordnung in Verkehr gebracht wurden, gilt eine Übergangsfrist bis September 2026. Innerhalb dieser Zeit dürfen bestehende Bestände abverkauft werden – danach ist ausschließlich die neue Rechtslage maßgeblich.

Folgen für die betriebliche Praxis

Die Verordnung (EU) 2025/351 wird in der Praxis spürbare Veränderungen mit sich bringen.
Hersteller von Verpackungen müssen ihre Rohstoffauswahl, Spezifikationen und Prüfmethoden überprüfen. Chemische Analysen auf NIAS und die Dokumentation der Stoffreinheit werden zum zentralen Bestandteil des Qualitätsmanagements.

Lebensmittelproduzenten stehen vor der Aufgabe, ihre Lieferantenbewertungen anzupassen und sich umfassendere Konformitätserklärungen vorlegen zu lassen. Gerade bei Eigenmarken oder Verpackungswechseln wird die Rückverfolgbarkeit entlang der Lieferkette an Bedeutung gewinnen.

Prüflabore und Zertifizierer müssen ihre Methoden harmonisieren, insbesondere bei der Bewertung nicht gelisteter Stoffe oder der Anwendung der neuen Migrationsgrenzen.

Auch die amtliche Überwachung wird profitieren: Durch klarere Definitionen und standardisierte Dokumentationspflichten lässt sich künftig einfacher nachvollziehen, ob ein Material den rechtlichen Anforderungen entspricht.

Sicherheit trifft Nachhaltigkeit

Mit der neuen Verordnung wird deutlich: Lebensmittelsicherheit und Nachhaltigkeit sind kein Widerspruch, sondern zwei Seiten derselben Medaille. Die EU verknüpft Gesundheits- und Umweltschutz stärker miteinander, indem sie einerseits hohe Sicherheitsstandards setzt und andererseits Recycling und Wiederverwendung gezielt fördert.

Gleichzeitig macht sie deutlich, dass Kreislaufwirtschaft nur funktioniert, wenn Rezyklate dieselbe Sicherheit bieten wie Neuware. Dieser Anspruch wird die Entwicklung neuer Materialien, Technologien und Prüfverfahren in den kommenden Jahren maßgeblich prägen.

Die Verordnung (EU) 2025/351 ist ein Meilenstein, aber auch nur ein Zwischenschritt. Schon jetzt arbeitet die Europäische Kommission an einer umfassenden Reform des Lebensmittelkontaktrechts, das künftig auch Materialien wie Papier, Karton, Metall und Glas stärker einbeziehen soll. Ziel ist ein einheitlicher, wissenschaftlich fundierter Rahmen für alle Materialgruppen.

Für Betriebe in der Lebensmittel- und Verpackungsindustrie bedeutet das: Jetzt handeln, nicht warten. Wer frühzeitig seine Prozesse, Dokumentationen und Lieferketten anpasst, wird nicht nur den gesetzlichen Anforderungen gerecht, sondern sichert sich auch Wettbewerbsvorteile in einem zunehmend sensiblen Markt.

Mit der Verordnung (EU) 2025/351 hebt die Europäische Union die Anforderungen an Materialien mit Lebensmittelkontakt auf ein neues Niveau. Höhere Reinheitsstandards, klare Kennzeichnungspflichten, erweiterte Dokumentation und die Gleichbehandlung von Neu- und Rezyklatmaterialien schaffen ein modernes, verantwortungsvolles System. Für die Branche bedeutet das mehr Aufwand – aber auch mehr Sicherheit, Vertrauen und Zukunftsfähigkeit.