Hygienic Design 2025 – Warum Technik allein keine sichere Produktion garantiert

Glänzende Anlagen – trügerische Sicherheit

In modernen Lebensmittelbetrieben glänzen viele Produktionslinien aus Edelstahl, ausgestattet mit Automatisierung, CIP-Anlagen und digitalen Überwachungssystemen. Doch in Audits, Rückrufen und Reklamationen zeigt sich immer wieder: Technik allein garantiert keine sichere Produktion. Trotz EHEDG-konformer Komponenten und Investitionen in Millionenhöhe führen hygienische Schwachstellen oft zu massiven Risiken – sei es durch Reinigungsmängel, ungeeignete Konstruktionen oder mangelhaft geschulte Mitarbeitende.

Hygienic Design wird vielerorts noch immer primär als Investitionsfrage gesehen – dabei ist es eine Frage der Lebensmittelsicherheit. Und nicht selten wird vergessen: Die beste Anlage ist wertlos, wenn die Menschen sie nicht richtig bedienen, reinigen oder beurteilen können.

Was Hygienic Design heute bedeutet und warum es weit über Edelstahl hinausgeht

Hygienic Design ist mehr als ein paar glatte Oberflächen und abgerundete Kanten. Es ist ein ganzheitliches Konzept, das die hygienegerechte Gestaltung aller Komponenten, Prozesse und Schnittstellen in der Lebensmittelproduktion umfasst. Im Zentrum stehen:

  • Reinigungsfähigkeit ohne Demontage

  • Vermeidung mikrobiologischer Nischen

  • Werkstoffauswahl ohne migrations- oder korrosionsbedingte Risiken

  • Zugänglichkeit und Wartungsfreundlichkeit

Moderne Anforderungen sind in internationalen Normen klar beschrieben:

  • EHEDG Guidelines liefern technische Konstruktionsprinzipien, Prüfverfahren und Designempfehlungen.

  • DIN EN 1672-2 legt Sicherheits- und Hygieneanforderungen für Maschinen fest.

  • ISO 14159 fokussiert die Hygienegestaltung von Maschinen für den Lebensmittelbereich im internationalen Kontext.

Doch: Die bloße Einhaltung technischer Normen reicht nicht aus, wenn Hygienic Design nicht auch organisatorisch und im Schulungskontext mitgedacht wird.

Typische Planungsfehler – zwischen Lastenheft und Realität

Schon in der Planungsphase werden oft entscheidende Hygienerisiken angelegt. Hier drei häufige Fehler aus der Praxis:

Fehler 1: Technik wird vor Hygiene gedacht

In vielen Projekten steht zuerst die Produktionskapazität oder die Automatisierung im Fokus. Die hygienegerechte Gestaltung wird später „dazu gedacht“. Das Ergebnis: Kompromisse bei der Zugänglichkeit oder unsaubere Schnittstellen, etwa wenn Kabeltrassen und Rohrleitungen unkontrolliert durch sensible Zonen führen.

Fehler 2: Normkonformität wird angenommen, aber nicht verifiziert

Viele Maschinenhersteller werben mit EHEDG- oder DIN-konformen Designs. Doch nur ein Teil der Komponenten ist tatsächlich zertifiziert – oder wurde später baulich angepasst. Ohne detaillierte Prüfung wird so vermeintliche Sicherheit gekauft, die im Audit zur Schwachstelle wird.

Fehler 3: Reinigungsprozesse werden nicht mitgedacht

Reinigung ist oft kein Teil der Konstruktionsbesprechung. Das führt zu toten Ecken, Tropfkanten oder schwer zugänglichen Bereichen. Wenn Reinigungszeiten ausufern oder Rückstände bleiben, wird das Problem auf die Reinigungsfirma abgewälzt – obwohl es ein Konstruktionsfehler ist.

Was Auditoren sehen und woran Betriebe regelmäßig scheitern

Bei Audits nach IFS, BRC oder ISO 22000 stehen Hygienic Design und Wartung regelmäßig im Fokus. Prüfer gehen weit über die Oberflächenoptik hinaus und stellen kritische Fragen:

  • Gibt es tote Räume in Rohrleitungen oder Anlagenteilen?

  • Wie wird die Machbarkeit der Reinigung verifiziert: Sichtkontrolle, ATP, mikro

  • biologische Abstriche?

  • Sind Reinigungs- und Wartungspläne dokumentiert und mit dem Design abgestimmt?

  • Wie wurde die Anlage in das HACCP-Konzept integriert?

Typische Schwachstellen, die in Audits auffallen:

  • Nicht hygienegerechte Fügestellen oder Schweißnähte (besonders bei Umbauten)

  • Undichte Dichtungen mit sichtbarer Produktanlagerung

  • Nicht dokumentierte oder schlecht geschulte Mitarbeiter bei der Reinigung

  • Fehlende oder falsche CIP-Protokolle trotz „vollautomatischer“ Reinigung

Ein besonders brisantes Thema sind Kombinationsanlagen: Komponenten aus unterschiedlichen Baujahren oder von verschiedenen Herstellern, die nebeneinander laufen. Hier entstehen oft Schnittstellen, die niemand richtig beurteilen kann – weil der eine Hersteller auf EHEDG verweist, der andere aber nach älteren Standards arbeitet.

Der Mensch als kritischer Faktor; unterschätzt und überfordert

Selbst bei perfektem Design bleibt die Reinigung und Bedienung eine Aufgabe des Menschen. Und hier liegt eine der größten Diskrepanzen:

Die Technik entwickelt sich, der Schulungsstand bleibt oft gleich.

Wer eine neue Anlage einführt, vergisst nicht selten, dass Reinigungspersonal, Instandhaltung und Produktionsmitarbeitende neue Anforderungen verstehen und beherrschen müssen:

  • Welche Flächen dürfen nicht mit Hochdruck gereinigt werden?

  • Welche Reinigungsmittel sind materialkompatibel?

  • Wie erkenne ich Rückstände an „unsichtbaren“ Stellen?

  • Welche Anlagenteile müssen regelmäßig geöffnet, überprüft oder desinfiziert werden?

Ohne systematische Schulung wird mit alten Mustern gearbeitet – auch an neuen Anlagen. So entstehen unerkannte Risiken trotz bester Technik.

Hygienic Design als Sicherheits- und Führungsaufgabe

Hygienic Design ist kein Thema der Konstruktion allein. Es ist eine strategische Aufgabe, die Technik, QM und Geschäftsführung gemeinsam tragen müssen.

Führung bedeutet in diesem Kontext:

  • Hygieneaspekte in Investitionsentscheidungen von Beginn an mitzudenken

  • Eine Kultur zu schaffen, in der Hygiene kein Nebenschauplatz ist

  • Mitarbeitende nicht nur zu informieren, sondern kompetent zu machen

  • Auditergebnisse als Chance für Verbesserung zu begreifen – nicht als Bedrohung

Zukunftsfähige Unternehmen verstehen, dass Hygienic Design nicht nur vor Rückrufen schützt, sondern auch Reinigungszeiten verkürzt, Personal entlastet und die Betriebskosten senkt.

Hygienic Design 2025, was sich ändern muss

Die Anforderungen an hygienegerechtes Design werden in den kommenden Jahren weiter steigen:

  • Digitalisierte Nachweise über Reinigbarkeit und Zustand von Anlagen werden zum Standard

  • EU-Regulierungen zur Lebensmittelsicherheit werden verschärft – insbesondere bei tierischen Produkten

  • Nachhaltigkeit und Hygienic Design wachsen zusammen: Weniger Wasser, weniger Chemie, aber gleiche oder höhere Reinigungsleistung

  • Qualifikationsoffensive: Reinigungs- und Betriebspersonal müssen stärker eingebunden und fortgebildet werden

Wer 2025 sicher produzieren will, muss jetzt handeln. Nicht allein mit Technik – sondern mit einem Bewusstsein für die Komplexität hygienischer Sicherheit.

Technik ist nur der Anfang, Sicherheit entsteht im Zusammenspiel

Der größte Fehler im Hygienic Design ist zu glauben, es sei mit der Inbetriebnahme erledigt. In Wahrheit beginnt hier erst die Arbeit:

  • Technik muss verstehbar sein.

  • Prozesse müssen gelebt werden.

  • Risiken müssen gemeinsam getragen werden.

Hygienic Design ist nicht das Ende einer Investition – es ist der Anfang sicherer Produktion.