
ISO 22000 vor der Revision: Auswirkungen auf Unternehmen und den FSSC 22000
Die ISO 22000 ist seit ihrer Erstveröffentlichung im Jahr 2005 der zentrale internationale Standard für Managementsysteme zur Lebensmittelsicherheit. Ihre letzte Fassung, die ISO 22000:2018, brachte wesentliche Anpassungen, darunter eine stärkere Risikoorientierung und die Integration des PDCA-Zyklus auf zwei Ebenen. Nun steht die nächste Revision bevor. Das technische Unterkomitee ISO/TC 34/SC 17 hat Ende 2023 beschlossen, die Überarbeitung einzuleiten, mit einem geplanten Abschluss bis spätestens 2026.
Der folgende Beitrag gibt einen Überblick über den Stand der Revision, die voraussichtlichen Änderungen, die Auswirkungen auf den FSSC 22000 und zeigt auf, was Unternehmen jetzt tun sollten.
Gründe für die Revision
Die aktuelle ISO 22000 ist zwar praxistauglich, stößt jedoch in einigen Bereichen an Grenzen. Mehrere Faktoren machen eine Überarbeitung notwendig:
Harmonisierung mit Annex SL: Alle Managementsystemnormen der ISO folgen einer gemeinsamen Grundstruktur, dem Annex SL. Diese erleichtert Unternehmen die Integration verschiedener Managementsysteme wie ISO 9001, ISO 14001 oder ISO 45001. Die ISO 22000 soll nun vollständig harmonisiert werden, um sprachliche und strukturelle Abweichungen zu beseitigen.
Abstimmung mit den PRP-Standards (ISO 22002-Reihe): Die sogenannten Prerequisite Programme bilden die Grundvoraussetzungen für Lebensmittelsicherheit in verschiedenen Sektoren. Diese Normen wurden überarbeitet, weshalb die ISO 22000 angepasst werden muss, um Doppelungen oder Widersprüche zu vermeiden.
Neue Entwicklungen in der Lebensmittelbranche: Themen wie Digitalisierung, Rückverfolgbarkeit in Echtzeit, Food Fraud oder auch die Auswirkungen des Klimawandels stellen neue Anforderungen an Lebensmittelsicherheitsmanagementsysteme. Diese Entwicklungen sollen stärker in die Norm integriert werden.
Präzisere Definitionen: In der Praxis gibt es immer wieder Diskussionen über die Auslegung zentraler Begriffe wie Risiko, Gefährdung oder Kontrolle. Hier soll die neue Fassung für mehr Klarheit sorgen.
Zeitplan bis 2026
Die Revision der ISO 22000 folgt dem üblichen Ablauf der internationalen Normung. Zunächst erarbeiten Arbeitsgruppen Entwürfe, die anschließend von den Mitgliedsländern diskutiert werden. Für 2025 ist die Veröffentlichung eines Draft International Standard (DIS) vorgesehen, im Jahr 2026 soll die finale Version erscheinen.
Für Unternehmen bedeutet das: Mit der verbindlichen Anwendung ist frühestens ab 2026 zu rechnen. Erfahrungsgemäß gibt es eine Übergangsfrist von zwei bis drei Jahren, in der Zertifizierungen nach der alten und neuen Fassung parallel möglich sind.
Voraussichtliche Änderungen
Obwohl die endgültigen Inhalte noch diskutiert werden, zeichnen sich klare Schwerpunkte ab.
Struktur: Die Norm wird enger an Annex SL angeglichen, was den Aufbau, Begriffe und Verantwortlichkeiten betrifft. Für Unternehmen wird damit die Integration in bestehende Managementsysteme einfacher.
PRPs: Durch die stärkere Harmonisierung mit der ISO 22002-Reihe werden Anforderungen branchenspezifischer präzisiert. Das bedeutet weniger Interpretationsspielraum, aber auch mehr Klarheit für Auditoren und Anwender.
Begriffe: Definitionen werden überarbeitet und neue Begriffe ergänzt. Themen wie Digitalisierung, Datenmanagement oder Lebensmittelfälschung könnten Eingang in den Katalog finden.
Risikomanagement: Bereits heute ist die Norm risikoorientiert. In Zukunft wird erwartet, dass Anforderungen an die systematische Risikoanalyse vertieft werden. Zudem wird die Betrachtung von Chancen, nicht nur Risiken, stärker betont.
Neue Risiken: Klimawandel, geopolitische Unsicherheiten oder Cybersecurity wirken zunehmend auf die Lebensmittelsicherheit ein. Auch diese Aspekte sollen künftig Berücksichtigung finden.
Konsequenzen für den FSSC 22000
Der FSSC 22000 zählt weltweit zu den führenden Lebensmittelsicherheitszertifizierungssystemen und basiert im Kern auf der ISO 22000, ergänzt um die branchenspezifischen PRPs und zusätzliche Anforderungen. Entsprechend hat die Revision unmittelbare Auswirkungen auf den FSSC 22000.
Nach Veröffentlichung der neuen ISO 22000 wird auch der FSSC angepasst werden. Übergangsfristen, wie zuletzt bei der Einführung der Version 6, sind sicher. Unternehmen müssen sich darauf einstellen, in einem bestimmten Zeitraum beide Fassungen parallel zu berücksichtigen.
Zudem ist zu erwarten, dass Digitalisierung, Rückverfolgbarkeit und Food Fraud im FSSC noch konkreter operationalisiert werden. Auch Synergien mit anderen Standards wie ISO 9001 oder ISO 14001 werden durch die Harmonisierung mit Annex SL leichter nutzbar. Für Betriebe eröffnet das die Möglichkeit, ein integriertes Managementsystem schlanker und effizienter zu gestalten.
Chancen und Herausforderungen
Die Revision ist für Unternehmen sowohl Herausforderung als auch Chance.
Chancen:
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leichtere Integration mehrerer Managementsysteme,
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klarere Anforderungen und weniger Interpretationsspielraum,
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Modernisierung durch Digitalisierung und neue Risikofelder,
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Stärkung der Position in globalen Lieferketten.
Herausforderungen:
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Anpassung bestehender Systeme erfordert Zeit und Ressourcen,
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Übergangsfristen erhöhen den Druck bei Zertifizierungsaudits,
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Investitionen in digitale Lösungen für Rückverfolgbarkeit sind oft notwendig,
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Mitarbeitende und Auditoren müssen geschult werden.
Was Unternehmen jetzt tun sollten
Auch wenn die Veröffentlichung der neuen ISO 22000 noch einige Jahre entfernt ist, sollten Unternehmen die Vorbereitungszeit aktiv nutzen. Abwarten ist keine Option – wer frühzeitig handelt, kann die Übergangsphase nutzen, um das eigene System zukunftssicher aufzustellen.
Regelmäßige Beobachtung: Unternehmen sollten die Arbeit der ISO-Arbeitsgruppen verfolgen und Veröffentlichungen von Normungsinstituten im Blick behalten. Erste Entwürfe geben wertvolle Hinweise auf kommende Anforderungen.
Gap-Analysen: Eine Bestandsaufnahme der bestehenden Systeme zeigt auf, wo Anpassungsbedarf besteht. Besonders Schnittstellen zu Digitalisierung, Rückverfolgbarkeit und Food Fraud sollten kritisch geprüft werden.
Digitalisierung fördern: Rückverfolgbarkeitssysteme, elektronische Dokumentation und digitale Auswertungen werden künftig eine noch größere Rolle spielen. Investitionen in entsprechende Lösungen sollten frühzeitig eingeplant werden.
Mitarbeiter schulen: Führungskräfte und Fachpersonal müssen die Neuerungen verstehen und anwenden können. Schulungen zu den Themen Risikomanagement, Food Fraud und PRPs sind bereits heute sinnvoll.
Austausch mit Auditoren: Ein enger Dialog mit Zertifizierungsstellen und Auditoren hilft, Interpretationsspielräume frühzeitig zu klären und praxisgerechte Lösungen zu entwickeln.
Wer diesen Prozess strategisch angeht, wird die Revision nicht nur als Pflichtaufgabe bewältigen, sondern als Gelegenheit nutzen, die Lebensmittelsicherheit nachhaltig zu stärken.
Die Revision der ISO 22000 ist ein logischer Schritt, um den Standard an die Entwicklungen der Branche anzupassen und die Harmonisierung mit anderen Managementsystemen voranzutreiben. Unternehmen, die frühzeitig handeln, sichern sich nicht nur eine reibungslose Transition, sondern positionieren sich als Vorreiter in Sachen Lebensmittelsicherheit, Transparenz und Nachhaltigkeit.
Für Unternehmen, die den Einstieg oder die Vertiefung suchen, bietet sich jetzt der ideale Zeitpunkt, internes Know-how aufzubauen. Spezialisierte Schulungen, wie das Basisseminar DIN EN ISO 22000:2018 / FSSC 22000 Version 6 bei Lebensmitteltechnik-Deutschland, unterstützen dabei, die kommenden Änderungen zu verstehen und praxisnah in das eigene System zu übertragen.
So wird aus einer Normrevision kein Risiko, sondern eine Chance für die Weiterentwicklung der gesamten Organisation.