Lebensmittelsicherheit durch HACCP, VACCP und TACCP: Anforderungen, Umsetzung und Verantwortlichkeiten

Was bedeuten HACCP, VACCP und TACCP?

In der Lebensmittelsicherheit spielen die Begriffe HACCP, VACCP und TACCP eine zentrale Rolle, wenn es um die Sicherstellung der Unversehrtheit und Qualität von Lebensmitteln geht. Diese Akronyme repräsentieren unterschiedliche Ansätze zur Risikominimierung entlang der Lebensmittelkette, jedoch haben sich ihre Bedeutung und Verwendung im Laufe der Zeit weiterentwickelt. In diesem Artikel werfen wir einen Blick auf die Konzepte hinter diesen Akronymen, ihre praktische Anwendung sowie aktuelle Entwicklungen in der Lebensmittelsicherheit.

HACCP – Hazard Analysis and Critical Control Points

Das Konzept des Hazard Analysis and Critical Control Points (HACCP) wurde ursprünglich in den 1960er Jahren von der NASA entwickelt, um die Sicherheit von Astronautennahrung zu garantieren. Seit den 1970er Jahren hat sich HACCP weltweit als Standard zur Sicherstellung der Lebensmittelsicherheit etabliert. Das HACCP-System dient zur Identifizierung, Bewertung und Kontrolle von Gefahren, die sich entlang der gesamten Lebensmittelkette ergeben können.

HACCP basiert auf sieben Grundprinzipien: Gefahrenanalyse, Identifizierung kritischer Kontrollpunkte (CCPs), Festlegung von Grenzwerten, Überwachungsprozesse, Korrekturmaßnahmen, Verifizierungsverfahren und Dokumentation. Diese Prinzipien helfen Unternehmen der Lebensmittelindustrie, potenzielle biologische, chemische oder physikalische Gefahren zu erkennen und Maßnahmen zur Risikominimierung zu ergreifen.

Beispiel aus der Praxis: Ein Molkereibetrieb identifiziert in der Produktionskette kritische Kontrollpunkte, an denen es zur Kontamination mit Listerien kommen könnte. Durch Temperaturüberwachung und regelmäßige Tests kann sichergestellt werden, dass die Produkte sicher sind und keine Gesundheitsgefahr für Verbraucher darstellen.

Gesetzliche Vorgaben: Die Anforderungen an HACCP sind in der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene festgelegt. In der Europäischen Union sind alle Lebensmittelunternehmen dazu verpflichtet, ein HACCP-Konzept einzuführen und aufrechtzuerhalten, um die Sicherheit der hergestellten Lebensmittel zu gewährleisten.

VACCP – Vulnerability Assessment and Critical Control Points

VACCP wurde in den 2010er Jahren als Erweiterung von HACCP entwickelt, um eine neue Art von Risiken zu adressieren: die Gefahr von Lebensmittelbetrug. Der Fokus von VACCP liegt auf der Identifizierung von Schwachstellen in der Lieferkette, die gezielt von Betrügern ausgenutzt werden könnten. Lebensmittelbetrug umfasst unter anderem das Strecken von Produkten, das Ersetzen hochwertiger Inhaltsstoffe durch minderwertige Alternativen oder die falsche Kennzeichnung von Waren.

VACCP befasst sich mit der gesamten Lieferkette und analysiert, wo betrügerische Handlungen besonders leicht möglich sind. Durch Risikobewertungen und Maßnahmen zur Stärkung der Transparenz und Integrität der Lieferkette sollen diese Risiken minimiert werden.

Beispiel aus der Praxis: Ein Hersteller von Olivenöl führt eine detaillierte Bewertung seiner Lieferkette durch, um sicherzustellen, dass das angelieferte Olivenöl nicht mit billigeren Pflanzenölen vermischt wird. Diese Maßnahmen umfassen die Prüfung von Zertifikaten, Lieferantenaudits und regelmäßige Laboranalysen.

Gesetzliche Vorgaben: VACCP-Anforderungen sind in verschiedenen internationalen Standards, wie dem Global Food Safety Initiative (GFSI) und dem Standard der British Retail Consortium (BRC), enthalten. Diese Standards verlangen die Implementierung eines Systems zur Erkennung und Vermeidung von Lebensmittelbetrug.

TACCP – Threat Assessment and Critical Control Points

Auch TACCP wurde in den 2010er Jahren eingeführt, mit einem Fokus auf die Sicherheit gegen gezielte Sabotage und böswillige Bedrohungen. TACCP untersucht, welche Bedrohungen – absichtlich und vorsätzlich verursacht – die Lebensmittelsicherheit gefährden könnten. Ziel ist es, durch eine umfassende Bedrohungsanalyse und geeignete Gegenmaßnahmen ein hohes Maß an Sicherheit zu gewährleisten.

TACCP konzentriert sich auf potenzielle Angreifer und deren Motivationen, sei es wirtschaftlicher Gewinn, politische Beweggründe oder Rache. Die Identifikation von Schwachstellen und die Implementierung von Maßnahmen wie Sicherheitsvorkehrungen und Zugangskontrollen gehören zu den wesentlichen Elementen dieses Konzepts.

Beispiel aus der Praxis: Ein Fleischverarbeitungsbetrieb implementiert strenge Zutrittskontrollen und Videoüberwachung, um sicherzustellen, dass keine unbefugten Personen Zugang zu sensiblen Produktionsbereichen erhalten. Dadurch wird das Risiko von vorsätzlicher Kontamination durch Unbefugte reduziert.

Gesetzliche Vorgaben: Die Anforderungen zur Lebensmittelsicherheit im Hinblick auf Sabotage und Bedrohungen finden sich in der Verordnung (EU) Nr. 931/2011 über die Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln sowie in diversen nationalen Sicherheitsrichtlinien und Standards, wie dem BRC-Standard und dem Food Safety Modernization Act (FSMA) in den USA.

Entwicklung hin zu Lebensmittelbetrugs- und -verteidigungsplänen

In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die Begriffe VACCP und TACCP in der Praxis oft nicht mehr differenziert angewendet werden. Stattdessen haben sich „Lebensmittelbetrugsprogramme“ (Food Fraud Prevention Programs) und „Lebensmittelverteidigungspläne“ (Food Defense Plans) durchgesetzt, die die Grundprinzipien von VACCP und TACCP vereinen. Diese Ansätze verfolgen das Ziel, sowohl betrügerische Handlungen als auch vorsätzliche Bedrohungen zu verhindern, indem Lieferkettenstabilität, Transparenz und Sicherheitsmaßnahmen integriert werden.

Beispiel aus der Praxis: Ein großer Lebensmittelkonzern entwickelt einen umfassenden Lebensmittelverteidigungsplan, der sowohl die Risikobewertung betrügerischer Handlungen als auch die Analyse potenzieller Bedrohungen kombiniert. Dabei wird auf enge Zusammenarbeit mit Lieferanten, regelmäßige Risikoprüfungen und Sicherheitsübungen gesetzt.

Kompetenzen und Verantwortlichkeiten in der Organisation

Um die Anforderungen von HACCP, VACCP und TACCP erfolgreich umzusetzen, müssen in der Organisation entsprechende Kompetenzen aufgebaut werden. Folgende Kompetenzen sind besonders wichtig:

  1. Lebensmittelsicherheitsmanagement: Verantwortliche müssen ein fundiertes Wissen im Bereich der Lebensmittelsicherheit und der relevanten rechtlichen Anforderungen besitzen. Dazu gehört die Fähigkeit, Gefahren zu identifizieren und geeignete Kontrollmaßnahmen zu entwickeln.
  2. Risikobewertung und -management: Die Fähigkeit zur Analyse von Schwachstellen und Bedrohungen entlang der gesamten Lieferkette ist entscheidend. Verantwortliche sollten in der Lage sein, potenzielle Risiken für Lebensmittelbetrug und Sabotage zu erkennen und angemessene Maßnahmen zur Risikominimierung zu implementieren.
  3. Kommunikation und Schulung: Die Schulung von Mitarbeitern ist essenziell, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten die Bedeutung von HACCP, VACCP und TACCP verstehen und die notwendigen Maßnahmen in ihrem jeweiligen Verantwortungsbereich umsetzen können. Verantwortliche sollten auch die Fähigkeit besitzen, interne und externe Stakeholder wirksam zu informieren.
  4. Krisenmanagement: Im Falle von Vorfällen müssen die Verantwortlichen in der Lage sein, schnell und effektiv zu reagieren. Dazu gehört das Management von Rückrufaktionen sowie die Kommunikation mit Behörden und Verbrauchern.

Verantwortliche finden und benennen

Die Benennung von Verantwortlichen für die Umsetzung der HACCP-, VACCP- und TACCP-Anforderungen erfolgt häufig basierend auf der Expertise und Erfahrung der Mitarbeiter. Folgende Schritte können bei der Identifizierung der richtigen Personen hilfreich sein:

  1. Analyse der bestehenden Kompetenzen: Eine Bestandsaufnahme der vorhandenen Kompetenzen innerhalb der Organisation hilft dabei, potenzielle Verantwortliche zu identifizieren. Mitarbeiter mit Erfahrung im Qualitätsmanagement, Risikomanagement oder in der Lebensmittelsicherheit sind häufig geeignete Kandidaten.
  2. Weiterbildung und Zertifizierung: Falls interne Kompetenzen fehlen, sollten geeignete Mitarbeiter geschult und weitergebildet werden. Zertifizierungen wie HACCP- oder Lebensmittelsicherheitsbeauftragte können dabei helfen, das notwendige Fachwissen zu vermitteln.
  3. Teamzusammenstellung: Die Verantwortung für HACCP, VACCP und TACCP kann auch auf ein Team verteilt werden, das unterschiedliche Kompetenzen und Verantwortlichkeiten abdeckt. Ein interdisziplinäres Team kann dabei helfen, die verschiedenen Aspekte der Lebensmittelsicherheit umfassend zu berücksichtigen.

Nachweisdokumente

Um die Einhaltung der HACCP-, VACCP- und TACCP-Anforderungen zu gewährleisten, müssen in der Organisation verschiedene Nachweisdokumente geführt werden. Dazu gehören:

  1. HACCP-Dokumentation: Die Dokumentation umfasst Gefahrenanalysen, CCP-Listen, Festlegungen von Grenzwerten, Überwachungsprotokolle, Korrekturmaßnahmen, Verifizierungsberichte sowie Schulungsnachweise für die Mitarbeiter.
  2. VACCP-Dokumentation: Hierzu gehören Risikoanalysen zur Verwundbarkeit der Lieferkette, Maßnahmenpläne zur Minimierung der Risiken, Auditberichte von Lieferanten und Nachweise zur Prüfung von Rohstoffen.
  3. TACCP-Dokumentation: Die Nachweise umfassen Bedrohungsanalysen, Sicherheitsprotokolle, Pläne zur Zugangskontrolle, Schulungsdokumentationen sowie Aufzeichnungen von Sicherheitsüberprüfungen.
  4. Rückverfolgbarkeitsdokumente: Um die Rückverfolgbarkeit von Produkten zu gewährleisten, müssen alle Schritte der Lieferkette dokumentiert werden. Dazu gehören Lieferanteninformationen, Produktionschargen, Verteilungswege und Kundeninformationen.
  5. Krisenmanagement-Dokumentation: Pläne und Aufzeichnungen von Krisenmanagementmaßnahmen, inklusive Rückrufprotokolle und Kommunikationsprotokolle mit Behörden und Verbrauchern, sind ebenfalls erforderlich.

Die Lebensmittelsicherheit ist eine zentrale Verantwortung der Lebensmittelindustrie, um die Gesundheit der Verbraucher zu schützen. HACCP ist seit Jahrzehnten das bewährte System zur Kontrolle von Gefahren, während VACCP und TACCP zur Bekämpfung von Lebensmittelbetrug und absichtlichen Bedrohungen eingeführt wurden. Auch wenn die Begriffe VACCP und TACCP heute weniger Verwendung finden, sind die zugrunde liegenden Konzepte weiterhin essenziell. Die Integration von Lebensmittelbetrugsprogrammen und Lebensmittelverteidigungsplänen stellt sicher, dass alle möglichen Risiken entlang der Lieferkette berücksichtigt werden und die Integrität von Lebensmitteln gewährleistet bleibt. Um dies zu erreichen, müssen entsprechende Kompetenzen aufgebaut und geeignete Verantwortliche benannt werden, die die Umsetzung dieser Programme sicherstellen.