Hygienische Produktsicherheit systematisch gewährleisten
Die gezielte Reinigung und Desinfektion zählen zu den zentralen Voraussetzungen für sichere Lebensmittelproduktion. Sie schützen vor mikrobiellen, chemischen und physikalischen Kontaminationen und sichern die Einhaltung gesetzlicher Anforderungen. Fehlerhafte oder unvollständige Hygieneprozesse stellen nicht nur ein Risiko für die Verbrauchergesundheit dar, sondern gefährden auch die Rechtssicherheit und Wirtschaftlichkeit des Betriebs.
Die rechtliche Grundlage bildet die Verordnung (EG) Nr. 852/2004 über Lebensmittelhygiene sowie – für Lebensmittel tierischen Ursprungs – die Verordnung (EG) Nr. 853/2004. Beide fordern explizit die Etablierung wirksamer Hygienemaßnahmen und die regelmäßige Überprüfung ihrer Wirksamkeit.
Reinigung und Desinfektion – Zwei Schritte, ein Ziel
Reinigung und Desinfektion sind zwei aufeinander aufbauende Prozesse:
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Reinigung entfernt sichtbare und unsichtbare Verunreinigungen (z. B. Fette, Eiweiße, Zucker, Mineralrückstände).
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Desinfektion reduziert die Keimzahl auf ein hygienisch unbedenkliches Maß. Ihre Wirksamkeit hängt entscheidend von einer vorhergehenden gründlichen Reinigung ab.
Der Standardprozess lautet:
Reinigung → Sichtkontrolle → Desinfektion → ggf. Nachspülen → Freigabe
Die vier Einflussfaktoren: Der Sinner’sche Kreis
Die Reinigungswirkung beruht auf vier technisch beeinflussbaren Faktoren, die optimal aufeinander abgestimmt sein müssen:
1. Chemie
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Alkalische Reiniger: lösen Fett- und Eiweißrückstände
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Saure Reiniger: entfernen mineralische Ablagerungen (z. B. Kalk, Wasserstein)
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Tenside: verbessern die Benetzung und Schmutzlösung
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Desinfektionsmittel: wirken je nach Produkt bakterizid, fungizid oder viruzid
Nur zugelassene Biozidprodukte (nach Verordnung (EU) Nr. 528/2012) dürfen eingesetzt werden.
2. Mechanik
Die Reinigungswirkung wird durch physikalische Unterstützung erhöht – z. B. durch Bürsten, Sprühdruck oder rotierende Düsen. Dies ist besonders wichtig in schwer zugänglichen Bereichen wie Dichtungen, Ecken und Rohrleitungen.
3. Temperatur
Eine Temperatur von 40 bis 60 °C unterstützt die Reinigungsleistung, insbesondere bei fetthaltigen Rückständen. Temperaturen über 65 °C können jedoch zu Eiweißdenaturierung und Materialschäden führen.
4. Zeit
Die Einwirkzeit muss den Angaben der Mittelhersteller entsprechen. Unterschreitungen reduzieren die Wirkung erheblich, Überschreitungen können zu Materialschäden oder Rückstandsbildung führen.
Konzentration – Wirkung braucht Präzision
Reinigungs- und Desinfektionsmittel müssen exakt dosiert werden:
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Unterdosierung: unzureichende Wirkung, hygienische Risiken
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Überdosierung: Materialschäden, Umweltbelastung, höhere Kosten
Die Konzentrationen sind regelmäßig zu prüfen, z. B. durch Leitfähigkeitsmessung, Titration oder automatisierte Dosiersysteme mit Kalibrierung.
Reinigungsutensilien – Das richtige Werkzeug macht den Unterschied
Die Auswahl geeigneter Reinigungsgeräte beeinflusst die Reinigungsqualität maßgeblich:
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Farbcodierte Bürsten und Wischer: vermeiden Kreuzkontaminationen durch klare Bereichszuordnung
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Materialien aus Polypropylen oder Edelstahl: hygienisch, langlebig, desinfektionsresistent
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Ergonomische Griffe: fördern die Anwenderfreundlichkeit und erhöhen die Effizienz
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Reinigungslagerungssysteme: verhindern die Wiederkontamination durch Kontakt mit Boden oder schmutzigen Flächen
Wichtig: Reinigungsgeräte sind selbst regelmäßig zu reinigen und zu inspizieren. Ihre Lagerung muss hygienisch erfolgen (z. B. an Halteschienen mit Abstand zur Wand und zum Boden).
Reinigungspläne – Struktur schafft Verlässlichkeit
Verbindliche, schriftliche Reinigungspläne sind unverzichtbar für ein funktionierendes Hygienemanagement. Sie enthalten:
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Was? – zu reinigende Objekte/Flächen
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Womit? – Reinigungs- und Desinfektionsmittel inkl. Konzentration
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Wie? – Methode (manuell, CIP, maschinell)
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Wann? – Reinigungsintervalle (täglich, wöchentlich, chargenbezogen)
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Wer? – verantwortliche Personen oder Funktionen
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Wie wird dokumentiert? – Kontrollformulare, Checklisten oder digitale Systeme
Pläne sind regelmäßig zu überprüfen und an veränderte Produktionsbedingungen oder neue Anforderungen anzupassen.
Mitarbeiterschulungen – Hygiene beginnt im Bewusstsein
Technik allein reicht nicht aus – das Verständnis und Verhalten der Mitarbeitenden ist entscheidend. Schulungsinhalte sollten praxisnah, wiederholend und zielgruppengerecht vermittelt werden:
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Bedeutung von Reinigung und Desinfektion für die Produktsicherheit
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Gefahren durch falsche oder unzureichende Reinigung
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Richtiges Verhalten im Umgang mit Reinigungschemie und Geräten
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Persönliche Hygieneregeln und deren Kontrolle
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Anwendung der Reinigungspläne im Alltag
Schulungsintervalle:
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bei Neueinstellung (Einweisung)
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jährlich (Auffrischung)
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anlassbezogen (z. B. Produktumstellung, Auditvorbereitung)
Die Schulungsteilnahme ist schriftlich zu dokumentieren.
Wirksamkeitsnachweise – Kontrolle ist Hygienesicherung
Die Wirksamkeit der Maßnahmen ist regelmäßig zu überprüfen – durch:
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Sichtkontrollen (Sofortmaßnahme, jedoch allein nicht ausreichend)
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ATP-Messungen (schnelle Überprüfung organischer Rückstände)
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Mikrobiologische Abklatschtests (gezielte Überprüfung kritischer Flächen)
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Validierungen (z. B. in Form von Probereinigungen)
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Verifizierungen (z. B. im Rahmen interner Audits)
Diese Nachweise sind Teil der HACCP-Verifizierung und erforderlich für Zertifizierungen nach IFS, BRCGS oder ISO 22000.
Hygiene ist planbar, überprüfbar und unerlässlich
Ein robustes Hygieneprogramm basiert auf der Kombination aus technischem Know-how, organisatorischer Klarheit und bewusstem Handeln aller Beteiligten. Die Reinigung und Desinfektion sind keine Nebentätigkeit – sie sind integraler Bestandteil der Lebensmittelsicherheit und des Unternehmenserfolgs.
Wer Hygienemängel systematisch vermeidet, sichert Qualität, schützt Verbraucher und stärkt die Marke.
Auswahl geeigneter Desinfektionsmittel – gezielt gegen spezifische Keime vorgehen
Die Auswahl des richtigen Desinfektionsmittels basiert auf dem Zielorganismus, der Anwendungsumgebung und der Oberflächenbeschaffenheit. Eine pauschale Anwendung ist weder wirksam noch wirtschaftlich. Die Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln wird nach anerkannten Normen wie der EN 1276 (bakterizid), EN 1650 (fungizid) und EN 14476 (viruzid) bewertet.
Im Folgenden eine Übersicht über häufige Zielorganismen und die dafür empfohlenen Wirkstoffe:
Zielorganismus | Beispielhafte Keime | Empfohlene Wirkstoffe |
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Gramnegative Bakterien | Salmonella spp., E. coli | QAV (quartäre Ammoniumverbindungen), Peressigsäure, Aktivchlor |
Grampositive Bakterien | Listeria monocytogenes, Staphylococcus spp. | Alkohol, QAV, Peressigsäure, Chlorverbindungen |
Sporenbildner | Bacillus cereus, Clostridium spp. | Aktivchlor, Peressigsäure, Wasserstoffperoxid (ggf. in Kombination mit Hitze) |
Hefen und Schimmelpilze | Candida spp., Aspergillus spp. | QAV, Peressigsäure, Ethanol, spezielle fungizide Kombipräparate |
Viren (z. B. Norovirus) | Nicht behüllte Viren (hohe Resistenz) | Peressigsäure, Alkohol (>70 %), Wasserstoffperoxid, Aktivchlor (nach EN 14476 geprüft) |
Biofilmbildner | Mischflora mit Schutzschicht | Kombination aus enzymatischen Reinigern + Oxidationsmittel (z. B. Peressigsäure, Chlor) |
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Rotationsprinzip bei Desinfektionsmitteln einsetzen, um Resistenzbildungen vorzubeugen.
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Spezialprodukte (z. B. gegen Biofilme) regelmäßig ergänzend einsetzen.
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Materialverträglichkeit und Rückstandsverhalten sind stets zu prüfen.
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Die Auswahl eines Desinfektionsmittels muss sich an Zielkeimen, Wirkungsspektrum und Betriebsgegebenheiten orientieren.
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Eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung der eingesetzten Produkte ist notwendig, z. B. bei Veränderungen im Produktionsumfeld, neuen mikrobiologischen Nachweisen oder Vorgaben durch Audits und Behörden.
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Nur durch den gezielten, dokumentierten und fachlich fundierten Einsatz von Desinfektionsmitteln lässt sich nachhaltige Hygienesicherheit erreichen.